Die Organisation, die hinter einer Kreuzfahrt steckt, ist umfangreich und doch meist unsichtbar für das Auge des Gastes. Wir haben nun wieder hinter die Kulissen geschaut!
Dieses Mal haben wir uns mit Sarah Pingel, Reiseleiterin auf der MS Hamburg, unterhalten. Im Interview verrät sie uns, was genau ihren Job ausmacht und wie ihr das Bordleben auf einem kleinen Kreuzfahrtschiff gefällt.
Das Interview haben wir bereits im letzten Jahr geführt, mittlerweile war Sarah als Ausflugsleitung auf der MS Hamburg tätig und fährt aktuell auf dem neuen Flusskreuzfahrtschiff Lady Diletta, das Plantours Kreuzfahrten kürzlich in Dienst gestellt hat.
Sarah, wie bist du zur Seefahrt gekommen?
Bis zu meinem Studium hatte ich eher geringes Interesse an der Seefahrt und der Kreuzfahrt als Urlaubsform. Bei der Suche nach einem passenden Studium im Tourismus habe ich dann den Studiengang Cruise Tourism Management gefunden, der in mir den Reiz der Seefahrt geweckt hat. Durch mein Studium habe ich die Branche aus einer wirtschaftlichen Sicht kennengelernt und währenddessen auch gemerkt, dass es vielleicht doch nicht der Bereich ist, in dem ich arbeiten möchte. In der einjährigen Praxis- und Auslandsphase des Studiums habe ich mich bewusst gegen die Seefahrt entschieden, mich dann aber am Ende meines Studiums zurückbesinnt und hinterfragt, warum ich diesen Studiengang ursprünglich gewählt habe.
Die Antwort: Weil ich aufs Meer wollte, die Freiheit und den Reiz der Seefahrt spüren wollte. Dank meines Studiums wusste ich aber auch was mich erwartet und bin nicht naiv an einen Job auf See rangegangen. Ich habe mir gedacht, wenn ich es jetzt in jungen Jahren nicht ausprobiere, werde ich mich später immer ärgern und fragen: „Was wäre, wenn?“. Also habe ich mir dann doch die Freiheit genommen, nach meinem Studium die Seefahrt auszuprobieren.
Warum hast du dich für ein kleines Schiff entschieden – gibt es auf den großen Kreuzfahrtschiffen nicht viel mehr Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen?
Bei der Entscheidung, auf welches Schiff ich gehe, war für mich nicht wichtig, wie die Karrierechancen stehen, da ich es zu dem Zeitpunkt für mich persönlich einfach ausprobieren wollte. Ich habe für mich zuerst überlegt, wo ich mich am wohlsten fühle. Das sind keine großen Städte, das sind keine großen Organisationen und Firmen. Ich mag es kleiner, familiärer; dort, wo jeder jeden kennt.
Auch wenn ich nie zuvor auf einem Kreuzfahrtschiff war, würde ich, wenn ich eine Reise buchen würde, nach einem möglichst kleinen Schiff suchen. Das wusste ich und so habe ich mich dann bewusst auf die Suche nach einem kleinen Schiff gemacht, denn ich hatte das Gefühl, da passe ich mit meinen Vorstellungen besser hin. Sicherlich gibt es auf einem großen Schiff mehr Entwicklungsmöglichkeiten, da es einfach eine größere Menge an Jobs gibt, und viele Reedereien mehrere Schiffe haben, sodass diese Positionen auch öfter neu besetzt werden müssen.
Dennoch war mir dieser Gedanke nie so wichtig und ich erlebe jetzt auch, was es für Vorteile hat auf einem kleinen Schiff wie der MS Hamburg zu leben und zu arbeiten. Wir sind ein kleines Team und arbeiten und leben mit allen Führungspositionen in einem Büro sehr eng zusammen, sodass ich schnell einen genauen Überblick über alle Aufgaben hatte. Somit konnte ich schon früh anfangen kann, zu überlegen, welche Bereiche eher mich in Frage kommen und wo ich gerne mal öfter nebenbei über die Schulter schaue, um mehr Erfahrungen zu sammeln.
Beschreibe uns doch bitte deinen Beruf an Bord – was sind deine Tätigkeiten, wie setzt sich dein Team zusammen?
Ich bin Teil der Bordreiseleitung, welche auf der MS Hamburg aus folgenden Positionen besteht: Kreuzfahrtdirektor/in, Concierge, Ausflugsleitung und drei Reiseleiter aufgeteilt auf folgende Positionen: Animation, Ausflugsassistenz (rechte Hand der Ausflugsleitung) und Büroadministration (rechte Hand des Kreuzfahrtdirektors und verantwortlich für das Tagesprogramm).
Seit über einem Jahr arbeite ich nun an Bord und habe bereits auf zwei Positionen gearbeitet: Als Ausflugsassistentin stehe ich zu den Öffnungszeiten an der Plantours-Information und kümmere mich um den Verkauf der Ausflüge. Gäste können bei mir Landausflüge buchen, umbuchen oder ggf. stornieren, sich informieren und natürlich auch Kritik formulieren. Auch für alle anderen Anliegen bezüglich des Reiseverlaufs, der An- und Abreise, des Bordprogramms, Gutscheinen und vielem mehr stehe ich den Gästen zur Verfügung. Ich bin sozusagen die Anlaufstelle für alle Gäste mit Fragen, die die Touristik und nicht den Hotelbetrieb betreffen.
Zudem lege ich am Infoschalter Material für individuellen Landgang aus, beispielsweise Stadtpläne. Im Hintergrund unterstütze ich die Ausflugsleitung bei organisatorischen Arbeiten. Bei Landausflügen begleite ich einen Bus, bin dort Schnittstelle zwischen lokalem Guide und Gästen und achte darauf, dass der Ausflug so abläuft wie im Programm angekündigt, und unterstütze den lokalen Guide während des Ausfluges. Zum Beispiel übersetze ich auch die grundlegenden Informationen, falls der Guide kein Deutsch spricht.
Außerdem war ich auch schon auf der Position im Büro. Dort kümmere ich mich um alles Schriftliche, was auf dem Schiff ansteht. Die Hauptaufgabe ist die Erstellung des Tagesprogramms. Dazu ist die Absprache mit allen eingebunden Personen sehr wichtig.
Neben dem Tagesprogramm verfasse ich aber auch Gästeanschreiben oder Einladungen zu besonderen Anlässen, wie zum Beispiel Cocktails, dem Kapitänstisch oder zu einer Brückenführung und unterstütze den Kreuzfahrtdirektor bei anfallenden administrativen Aufgaben. Zudem gibt es auch Aufgaben, die wir alle gemeinsam wahrnehmen. Das ist beispielsweise die Anwesenheit bei wichtigen Bordveranstaltungen wie dem Frühshoppen, dem Kapitänscocktail und Abendveranstaltungen.
Was sind die Herausforderungen bei deiner Tätigkeit?
Für mich persönlich ist alles mit ein wenig Konzentration machbar, auch wenn innerhalb von einer Stunde ein neues Tagesprogramm geschrieben werden muss, weil das Schiff aufgrund von Wetterverhältnissen in einem Hafen nicht anlegen kann. Herausfordernd ist der tägliche Umgang mit den Gästen. Man arbeitet sieben Tage am Stück für mehrere Wochen ohne einen richtigen freien Tag. Für den Gast gebe ich immer mein Bestes, da ist es egal, wie es mir persönlich gerade geht, ob ich gut geschlafen habe oder ob ich vielleicht erkältet bin.
Grundsätzlich kann ich damit kann ich gut umgehen, manchmal ist es in solchen Situationen aber schwierig mit nicht ganz nachvollziehbaren Problemen der Gäste umzugehen. Mit der Zeit erlebt man die kuriosesten Geschichten und die wenigsten hätte ich mir vorher denken können!
Was sind denn die lustigsten und schönsten Erlebnisse deiner Arbeit?
Das Schönste ist, wenn ich mit Gästen auf einem tollen Ausflug bin und wir dabei richtig in Kontakt kommen. Auf Wanderungen können sich ganz interessante Gespräche ergeben, die ich sonst wohl nie geführt hätte.
Ich bin ein absoluter Naturmensch, und wenn ich mit Gästen in Norwegen oder Island in dieser wunderschöner Natur unterwegs bin, freue ich mich immer wieder mitzuerleben und zu sehen, dass andere Menschen die Natur genauso beeindruckend finden und diese so schätzen wie ich auch.
Schön ist auch immer wieder, und das habe ich schon mehrfach erlebt, wenn Gäste zu einer neuen Reise wieder an Bord kommen und sich nach Monaten noch an mich erinnern und mich freudestrahlend bei der Einsschiffung begrüßen. So denkt man direkt an die vergangene Reise zurück und plötzlich ist man wieder zusammen, aber an einem ganz anderen Ort der Welt.
Auch die lustigsten Momente passieren definitiv auf den Ausflügen. Es muss nicht immer alles perfekt sein, aber wenn die Menschen das Leben mit Humor nehmen, dann kann man über bestimmte Dinge, die auf einem Ausflug passieren noch die ganze Reise lachen.
Einmal war ich mit einer Gruppe Gästen zu Besuch in einem Indianerdorf auf Kuba. Es wurde ein Freiwilliger gesucht, aber es meldete sich niemand. Also werde ich nach vorne geschickt, das gehört ja auch zu meinem Job. Ich muss mich auf das Bett des Medizinmannes legen, werde komplett von Indianern abgetastet, mit Blätterzweigen abgeklopft und am Ende fragt der Medizinmann: „Tot oder lebendig?“ Alle Gäste filmen mich, aber keiner ruft, dass die Indianer mich leben lassen sollen. Stattdessen warteten alle nur darauf, was denn wohl mit mir passiert.
Hast du einen Lieblingshafen oder einen einen Hafen, den du nie vergessen wirst?
Um einen Lieblingshafen zu haben, gibt es einfach zu viele. Schöne Häfen sind für mich europäische Häfen, weil man schnell in der Stadt ist und in den Geschäften immer das bekommt, was man gerade benötigt. Das ist ein bisschen wie zu Hause sein.
Als Stadt an sich hat mich Chicago total beeindruckt und fasziniert. Ich freue mich schon jetzt, dort mal wieder hinzukommen. Die Stadt an sich ist toll, wobei der Hafen ein eher unschöner Industriehafen ist.
Ein Traumhafen ist definitiv Cayo Largo, einer der schönsten Strände Kubas, wo man eben auch nicht mit dem Schiff hinkommt, sondern die Tender nutzen muss. Wenn man dort ankommt, dann ist man wirklich im Urlaub!
Gibt es einen Ort, den du unbedingt noch bereisen möchtest mit dem Schiff?
Ich muss sagen, dass ich während meiner Zeit an Bord der MS Hamburg schon extrem viel gesehen habe, das ist wirklich der Wahnsinn. Dennoch würde ich gerne noch einmal mit dem Schiff in die Südsee oder nach Alaska, denn das sind Orte, von denen ich denke, dass ich dorthin nicht so schnell auf eigene Faust reisen würde.
Inwiefern unterscheidet sich dein Bord- von deinem Landleben?
Es sind definitiv zwei verschiedene Welten. Auf dem Schiff lebt man in einem eigenem Universum. Die Arbeit, das Zuhause und der Freundeskreis, alles überschneidet sich. Für mich ist das kein Problem, ich finde es schön, wenn alles so zentral ist. Ich kann mir nicht vorstellen, freie Tage auf dem Schiff zu haben, denn die Arbeit gehört irgendwie dazu.
Zu Hause ist es das komplette Gegenteil: Ich bin alleine, habe viel Platz, muss einkaufen, putzen und ich habe viel freie Zeit. Anfangs nutze ich die Zeit, um Schlaf nachzuholen, aber irgendwann habe ich oft das Problem, dass mir die Decke auf den Kopf fällt. Während der Zeit auf dem Schiff fällt mir Vieles ein, was ich zu Hause machen möchte: ins Kino oder essen gehen, shoppen, schwimmen, und so weiter, aber das füllt keinen ganzen Urlaub aus.
Das größte Problem für mich ist aber , dass Freunde und Familie selten genau so viel Freizeit haben und ich so auch nicht wie auf dem Schiff immer jemanden finde, der Zeit hat, etwas mit mir zu unternehmen.
Aufgrund dieser doch extrem unterschiedlichen Leben, habe ich aber auch gelernt, beide mehr zu schätzen. Auf dem Schiff genießt man bewusster die Ruhezeiten und die schönen Momente, zum Beispiel, wenn man Zeit hat in einer schönen Altstadt einen Kaffee zu trinken oder auf den Kanaren abends Tapas essen zu gehen. Zu Hause nutze ich intensiver die gemeinsame Zeit mit Freunden und der Familie.
Wie verbringst du deinen Urlaub – möchtest du dann überhaupt noch verreisen?
In meinem Urlaub verreise ich schon noch. Ich erkunde dann mit Freunden gerne Gegenden, die nicht so überlaufen sind. Wir mieten uns dann ein Auto und fahren drauf los, zuletzt zum Beispiel in Mazedonien. Ich brauche nicht mehr unbedingt so viele neue Eindrücke auf einmal. Ich möchte vielmehr einfach abschalten und das Leben genießen. Definitiv könnte ich keine organisierte Reise buchen, da würde ich immer zu sehr an die Arbeit erinnert werden.
Und wie verbringst du deine Freizeit an Bord?
Wenn ich Freizeit habe, dann gehe ich im Hafen immer raus, auch, wenn es nur ein kurzer Spaziergang ist. Auf dem Schiff versuche ich regelmäßig ins Crew Fitnessstudio zu gehen, denn Sport ist für mich sehr wichtig, um abzuschalten, um ausgeglichen zu sein und einfach um mich wohl zu fühlen. Ansonsten finde ich immer einen Kollegen, mit dem ich mich unterhalten kann oder wir treffen uns und spielen am Abend noch ein Spiel oder schauen einen Film.
Wie lange möchtest du noch zur See fahren?
Als ich aufs Schiff gegangen bin, wusste ich ja noch nicht einmal, ob es mir überhaupt gefällt. Nach kurzer Zeit war ich von mir selber überrascht, wie gut es mir gefällt und jetzt weiß ich gerade nicht, wie lange ich noch bleiben möchte. Ich finde, ich bin noch jung genug, um mich noch nicht festlegen zu müssen, aber der Moment wird in einigen Jahren kommen und ich hoffe dann habe ich eine Antwort auf diese Frage. Ich hoffe, dass ich eines Tages einfach aufwache und irgendwo auf irgendetwas stoße, bei demich sage, dass es das ist, was ich mir vorstellen kann, nach dem Schiff zu machen und auch Lust habe, dieses umzusetzen.
Anmerkung: Das Interview haben wir bereits im letzten Jahr geführt, mittlerweile ist Sarah als Ausflugsleitung auf der MS Hamburg tätig. Durch die Coronakrise arbeitet Sarah aktuell auf der Lady Diletta.
Wir danken Sarah Pingel, Plantours Kreuzfahrten und John Will Kommunikation, uns und euch viele interessante Einblicke ermöglicht zu haben.